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Leitfaden

Klimawandel und regionale Wirtschaft

In diesem Leitfaden für KMU werden die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Klimawandel der hessischen IHKs in Hanau und Fulda zusammengefasst und Handlungsempfehlungen für Unternehmen gegeben.

Auf einen Blick

Themenkategorie
Klimaziele und -strategien
Unternehmensgröße
0-9 / 10-19 / 20-249
Bundesland
Hessen
  • Anpassung an den Klimawandel

Beschreibung

Zielsetzungen des Leitfadens sind: Erstens die heute bereits erkennbaren Folgen des Klimawandels in der Region Hanau und Fulda verdeutlichen. Zweitens darauf hinzuweisen, dass dieser Wandel Anpassung der Unternehmen erfordert. Und drittens auszeigen, dass – wie jeder Wandel – auch dieser Chancen in sich birgt. In sechs Szenarien wird dargestellt, worauf sich die Unternehmen der Region aufgrund des Klimawandels einstellen sollten. Für jedes Szenario werden die wahrscheinlichen Folgen für die regionale Wirtschaft aufgezeigt und Empfehlungen zum Umgang beschrieben.

Szenario 1 - Temperaturanstieg

Deutschlandweit und somit auch in Hessen haben Hitzeextreme in der jüngeren Vergangenheit deutlich zugenommen. Regionale Klimaprognosen zeigen für das 21. Jahrhundert eine Fortsetzung des Temperaturanstieges an, wenn auch mit teilweise deutlichen regionalen Unterschieden. Die steigenden Durchschnittstemperaturen sind für viele von uns die sichtbarsten Zeichen des Klimawandels und verdeutlichen, dass schnelle Verhaltensänderungen und Anpassungsmaßnahmen nötig sind, um die Folgen des Klimawandels einzudämmen.

Empfehlungen für die regionale Wirtschaft

  • Gründächer: Dächer und Fassaden, etwa von Produktions- und Bürogebäuden, bieten ein großes Potenzial für Begrünungsmaßnahmen und somit für mehr Schutz gegen Hitze und Kälte. Auch für gewerbetypische Baukonstruktionen wie Leichtbauten existieren Lösungen. Hinweis: Die Stadt Hanau bietet ein kombiniertes Gründach- und Entsiegelungskataster an, einschließlich Vor-Ort-Beratung.
  • Neubaumaßnahmen: Die Erschließung neuer Wohn- und Gewerbegebiete kann eine sehr gute Gelegenheit sein, die Empfehlungen zur Senkung von Temperaturen und Förderung von Versickerung umzusetzen. Bestandsgebäude: Es gibt Möglichkeiten, z. B. durch Fassadenbegrünung, dem Temperaturanstieg entgegenzuwirken. Hinweis: Seitens des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) wird für die Fassadenbegrünung demnächst eine Datenbank verfügbar sein.
  • Verschattung: Entlang von Verkehrswegen, z. B. dem Schienennetz, können viele Photovoltaik-Anlagen installiert werden. Es würde nicht nur Strom erzeugt, der Verschattungseffekt kühlt zugleich. Hinweis: In Sachsen gibt es einen Pilotversuch, die Gleisbetten mit Solarmodulen auszustatten.

Szenario 2 - Klimawandel, Starkregen und Überschwemmungen

In Hessen ist die mittlere Jahrestemperatur von 1881 bis 2020 um 1,6° C gestiegen. Eine erhöhte Lufttemperatur ermöglicht die stärkere Bindung von Wasser in der Luft – im Mittel sieben Prozent pro 1° C Temperaturerhöhung. Dieser physikalische Effekt birgt das Risiko stärkerer Niederschläge. Damit steigt generell die Verwundbarkeit durch Starkregen, und zwar besonders stark entlang von Wasserläufen, nicht nur auf Gefällstrecken, sondern auch in einstigen Flussauen. Dies und Wertsteigerungen am Standort, zum Beispiel durch Investitionen, führen zu potenziell höheren Verlusten im Schadensfall. Auch die zunehmende Versiegelung von Flächen, etwa durch größere Gewerbegebiete oder großflächige Produktions- und Lagerhallen, führt dazu, dass bei einem Starkregenereignis das Regenwasser zu langsam versickert und sich weiter aufstaut.

Empfehlungen für die regionale Wirtschaft

  • Lage und Topografie prüfen: Starkregenereignisse nehmen zu, möglicherweise auch andere klimawandelbedingte Wetterextreme. Die Gefahren sind, je nach geografischer Lage und Topografie, sehr hoch. Die Unternehmen sollten prüfen, ob sie in Gefahrenzonen (Überschwemmungsgebieten) angesiedelt sind und ob sie entsprechende kurz- und mittelfristige Anpassungsmaßnahmen direkt vor Ort und in Absprache mit den jeweiligen Kommunen umsetzen können.
  • Grünflächen einrichten: Die Schaffung von Grünflächen verringert einerseits die Folgen von Überschwemmungen, diese Flächen können andererseits als grüne Oasen das Mikroklima abkühlen und den Naturschutz unterstützen. Sie ermöglichen sogar ein besseres Betriebsklima für die Mitarbeiter.
  • Versicherung befragen: Diese sollte auf der Basis der Datenbank der Gebäudeversiche­run­gen erfolgen – mit dem Hochwasser-Check das individuelle Risiko checken.
  • Informationen sammeln: Zu Hochwasser und Überschwemmungen bieten die Hochwasserrisikomanagementpläne des HLNUG viel Wissenswertes. Fragen Sie sicherheitshalber auch bei Ihrer Gemeinde nach den Fließkarten.
  • Bauliche Maßnahmen: Es gilt, die Versickerungsmöglichkeiten auf den Grundstücken aus­zuweiten. Außerdem lässt sich die Temperatur im Gebäude und auf angrenzenden Flächen senken. Ferner ist das Gebäude und die kritische Infrastruktur gegen Wasserschäden zu sichern. Beispiel: Kein Server gehört in den Keller oder ins Erdgeschoss.

Szenario 3 - CO2-Freisetzung in Produktionsprozessen

Ohne die aktive Beteiligung der Unternehmen lassen sich die Klimaschutzziele nicht errei­chen. Die Industrie allein steht für fast die Hälfte des Stromverbrauchs in Deutschland. Die Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen bestimmen zu­dem die Emissionen der Verbraucher mit. Im Jahr 2020 lagen die direkten Emissionen des Verarbei­ten­den Gewerbes in Deutschland bei rund 41 Prozent der ge­samten Emissionen. Diese Unternehmen haben einen großen Hebel zur Senkung der Emissionen. Aber Energieeffizienzmaßnahmen werden in der Praxis oft nicht um­gesetzt, Grund sind oftmals Umsetzungshemmnisse. Fakt ist: Diese können nur durch wirtschaftlich sinnvolle und ökonomisch lohnende Maßnahmen überwunden werden.

Empfehlungen für die regionale Wirtschaft

  • Energiekosten: Der Mittelstand hat dieses Thema schon lange auf dem Schirm. Nun bedarf es einer Konkretisierung von weiteren Einsparmaßnahmen, um die eigenen Emissionen zu senken und nicht nur den Energiebedarf.
  • Managementsysteme helfen: Sie strukturieren den Prozess, indem sie wenige Leitfragen stellen wie: Wo fange ich bei der Ermittlung von Emissionen an und wo höre ich auf? Viele Unternehmen nutzen bereits Tools wie das kostenfreie ecocockpit. Das schafft Übersicht­lichkeit. Auch die globale Initiative SME Climate Hub bietet einen einfachen Einstieg in eine Bilanzierung der eigenen CO2-Emissionen.

Szenario 4 - Energieerzeugung, Strombörsen und CO2

Laut Förderbank KfW müssten die Unternehmen in Deutschland ihre Investitionen in den Klimaschutz pro Jahr mehr als verdoppeln, um die von Deutschland gesteckten Ziele für 2045 er­reichen zu können. Es sind Gesamtinvestitionen von etwa fünf Billionen Euro nötig. Die aktuelle Ener­giekrise erschwert allerdings den Umstieg.

Empfehlungen für die regionale Wirtschaft

  • Stromlieferverträge: Direktstromlieferverträge mit Windparks und Photovoltaik-Anbietern abschließen.
  • Raumkosten: Bei Beleuchtung (LEDs sparen ≈ 80 % Strom), Raumtemperatur (20° C reichen, je­des Grad spart ≈ 5,6 % Heizenergie) sowie bei der Wärmedämmung steckt Sparpo­ten­zial.
  • Wassereinsparung: Zisternen helfen, Regenwasser zu nutzen.
  • Ideenwettbewerbe: Die Mitarbeiter einbinden, Änderungen des Nutzerverhaltens durch bewusste Anpassung an die neuen Verhältnisse an der Wurzel angehen.
  • Energieintensive Verfahren: Effizientere Prozesse, etwa beim Schweißen (siehe Strom­börse), und nur dann Löten oder Schweißen, wenn der Strom günstig ist.
  • Gebäude modernisieren: intelligente Nutzung von Abwärme und Kälte in Gebäuden, Solaranlagen im Sommer zur Kühlung nutzen.

Szenario 5 - Neue Geschäftsmodelle wie Green Food

Nicht nur die Anbieter sind zu beachten, sondern auch die Nachfragerseite. Es ist davon auszu­ge­hen, dass sich viele Verbrauchergewohnheiten ändern und neue Geschäftsmodelle entstehen. So wirkt sich die Klimakrise verstärkt auf die Forst-, Agrar- und Ernährungswirtschaft in Hes­sen aus. Ohne jeglichen Klimaschutz könnte es im Lande um bis zu 5° C wärmer als im vorin­dustriel­len Zeitalter werden.

Empfehlungen für die regionale Wirtschaft

  • Green Food im Markt: Für eine bessere Marktdurchdringung können nur Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam sorgen. Die Landkreise könnten als positive Folge ihr Image und ihren guten Ruf als Lebens-, Arbeits- und Urlaubsregion fördern.
  • Neue Formen der Vermarktung: Die Vielfalt und Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe in beiden Landkreisen (Fulda: 1.485 Betriebe; Main-Kinzig-Kreis: 984 Betriebe) ist deutschland­weit bedeutsam. Beide Regionen könnten sich als Leuchttürme für nachhaltige Lebensmittel­wirtschaft positionieren. Das Rhein-Main-Gebiet als Zielmarkt liegt in unmittelbarer Nähe. Betriebskantinen könnten Green Food einführen.

Szenario 6 - Migration durch Klimawandel

Der menschengemachte Klimawandel, die Bevölkerungsexplosion und das Wohlstandsgefälle auf der Welt sorgen für Spannungen. Werden Lebensräume zerstört oder Entfaltungsmöglichkeiten verweigert, steigt die Bereitschaft zur Migration. Der Klimawandel könnte diese Tendenz befeuern. Die Weltbank schätzt, dass bis zum Jahr 2050 mehr als 140 Millionen Menschen zu Klimamigranten werden könnten. Es ist davon auszugehen, dass die Migration zunimmt. Ein Teil der Betroffenen wird auch in unserer Region Zuflucht und möglicherweise eine neue Heimat finden wollen.

Empfehlungen für die regionale Wirtschaft

Alle Empfehlungen stehen unter dem Vorbehalt, dass in der regionalen Wirtschaft unverändert Fachkräftemangel herrscht, da er die Motivation der Unternehmen, Migranten zu beschäftigen, deutlich erhöht. Das Thema ist von langfristiger, aber nicht akuter Relevanz für die regionale Wirtschaft. Die unmittelbaren Auswirkungen sind zudem begrenzt, weil die Unternehmen das Ausmaß ihrer Befassung mit Migranten selbst wählen können. Dennoch sollten Sie sich als Unternehmer und Gewerbetreibender frühzeitig auf dieses Szenario vorbereiten und erste Maßnahmen überlegen.


Impressum

Klimawandel und regionale Wirtschaft – Leitfaden für kleine und mittelständische Unternehmen ist ein Gemeinschaftsprojekt der Industrie- und Handelskammern Fulda und Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern. 

Erscheinungsdatum Februar 2023

Redaktion

Dr. Jörg Wetterau, E-Mail: info@labor-fuer-kommunikation.de

Julia Oppenländer, E-Mail: j.oppenlaender@hanau.ihk.de

Dr. Achim Knips, E-Mail: a.knips@hanau.ihk.de

Dr. Gunther Quidde, E-Mail: g.quidde@hanau.ihk.de

Michael Konow, E-Mail: konow@fulda.ihk.de


Quellenangabe

Partner

Industrie- und Handelskammer Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern

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Datum

Zuletzt geändert am 06. Oktober 2023

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