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Gutes Beispiel

Klimaschutz im Steinbildhauer-Handwerk

Wie kann Verantwortung und Klimaschutz in Kleinstbetrieben gelebt werden? Erfahren Sie mehr in unserem Interview mit der Steinbildhauerei Vincent aus Wetter (Ruhr).

Auf einen Blick

Themenkategorie
Klimaziele und -strategien
Sektor, Branche
Handwerk
Unternehmensgröße
0-9
Bundesland
Bundesweit
  • Grünstrom
  • Design
  • CO2-Bilanzierung

Beschreibung

In aller Kürze

  • „Short distance economy" sorgt für weniger CO2-Emissionen.
  • Der ZNU-Standard ist ein branchenoffener Transparenzstandard, der Unternehmen dazu dient, Schritt für Schritt nachhaltiger zu werden.
  • Gute Arbeit ist eine Arbeit, die um ihrer selbst willen gut gemacht wird.


Interview

Was macht Ihr Unternehmen und welche Maßnahme im Bereich Klimaschutz setzen Sie um?

Die Steinbildhauerei Vincent fertigt handwerkliche Grabmale aus Naturstein oder in Kombination mit Glas oder Holz und unterstützt die „short distance economy“, die Wirtschaft der kurzen Wege. Der Naturstein kommt aus der Region oder maximal dem europäischen Wirtschaftsraum. Darüber hinaus recycelen wir „alte“ Grabmale. Durch die kurzen Lieferwege gegenüber denen aus Fernost sind die CO2-Emissionen geringer. So entstehen durch den Transport von in Deutschland bezogenen Natursteinen ein Treibhauspotenzial von 4,4 kg CO2-Äquivalente pro Tonne, der Transport aus dem europäischen Ausland 88,1 kg CO2-Äquivalente. Der Bezug von Natursteinen aus China ist mit 265 kg CO2-Äquivalente ca. 60-mal höher als aus Deutschland. Des Weiteren produzieren wir Strom mit einer PV-Anlage und die Fertigung geschieht mit Öko-Strom.

Was hat Sie motiviert, sich mit der Verantwortung in Ihrem Handwerk zu beschäftigen?

Als ich mich 2003 als Steinbildhauer selbständig gemacht habe, war für mich jenseits von Grundbedürfnissen, zu denen auch Gesundheit gehört, eine sinnvolle, gute Arbeit, ein wichtiger Faktor für Zufriedenheit. Richard Sennett definiert in seinem Buch „Handwerk“ gute Arbeit als eine Arbeit, die um ihrer selbst willen gut gemacht wird. Der Lohn der Arbeit liegt also auch in der Arbeit selber. Der Aspekt der Könnerschaft, der Aspekt des Einsatzes „kreativer Mittel“ geht allerdings noch einmal darüber hinaus. Das Prinzip „Könnerschaft“ hat neben der sozialen Dimension „Sinn“ die spirituelle Dimension der Arbeit „am eigenen Selbst“. Es geht also darum, etwas um des eigenen Selbst willen nicht nur gut, sondern immer besser zu machen. Hier liegt der Aspekt der Identität, der Identifikation mit dem eigenen Werk und der Verantwortung dafür, der Menschen dauerhaft mit ihrer Arbeit zufrieden macht. Dazu bedarf es auch, dass die Arbeit aus der diffamierenden Betrachtung der "work-life-balance" heraus und wieder zu einer menschengemäßen Aneignung von Umwelt- und Selbsterfahrung und -vermittlung definiert wird. Durch meine Arbeit bestätigt sich für mich die Erfahrung der Selbstwirksamkeit und beinhaltet den Aspekt der Selbstermächtigung durch die Praxis über die Selbstverwirklichung hinaus. So versuche ich seitdem das Gefühl der Selbstermächtigung durch die Herrschaft über die eigene Lebenszeit im selbständigen unternehmerischen Handeln zu einem gelingenden Leben hinzuerweitern. Handwerkliche Meisterschaft ist personengebunden, sie kann nicht theoretisch durch Bücher und Filme erhalten werden. Meisterschaft im Handwerk muss gelebt und weitergegeben werden und bewahrt bleiben, geradezu als „Kulturschatz Handwerk“. Handwerk, Handwerkskunst und handwerkliche Kernkompetenzen sind ein Stück Identität. Qualifizierung, Können und Qualität sind identitätsstiftend für das Handwerk bzw. Stärken des Handwerkers. Die Erzeugnisse von Handwerksunternehmen sind aber nur dann auf Dauer gut und von hoher Qualität, wenn der handwerkliche Anspruch an die Arbeit und an das Produkt gelebt wird: Vielfalt, Schönheit, Sinnlichkeit, Materialästhetik. Das bedeutet für mich Verantwortung im Handwerk.

Was hat es mit dem ZNU-Standard „Nachhaltiger Wirtschaften“ auf sich?

Der ZNU-Standard ist ein branchenoffener Transparenzstandard, der Unternehmen dazu dient, Schritt für Schritt nachhaltiger zu werden und fordert eine kontinuierliche Verbesserung. Er ist der einzige praxiserprobte und umgesetzte Standard für nachhaltiges Wirtschaften, der alle drei Dimensionen Umwelt, Wirtschaft und Soziales integriert und die Entwicklung eines integrierten Managementsystems zum nachhaltigeren Wirtschaften fordert und fördert. Er setzt die Erfüllung gesetzlicher Anforderungen voraus, fordert die Unternehmen auf, über die Einhaltung von internationalen Normen hinaus aktiv zu werden und die im Rahmen des Managementsystems selbstgesetzten Ziele extern zu kommunizieren. Der Standard wird extern durch z.B. dem TÜV Rheinland, der DEKRA oder TÜV Süd auditiert und zertifiziert. Die Steinbildhauerei Vincent ist seit 2019 das bisher einzige zertifizierte Handwerksunternehmen.

Was ist ihr persönlicher Lieblings-Hack zum betrieblichen Klimaschutz?

Mein Lieblings-Hack ist die short distance economy. Durch die Entscheidung, nicht die landläufigen Marktbedingungen beim Verkauf von Grabmalen mitzumachen, 85% kommen laut der Verbraucherschutzorganisation Aeternitas aus Fernost, und durch die Akzentlegung auf handwerklich gefertigte Grabmale aus lokalem Gestein einen „Markt in einem Markt“ zu kreieren, war es möglich, nicht nur ein, mehr oder weniger, Alleinstellungsmerkmal zu schaffen, sondern auch einen geringeren THG-Abdruck zu haben; denn das Fertigen von Grabmalen mit traditionellen handwerklichen Techniken aus lokalem Naturstein ist durch den geringeren Maschinen- und Logistikeinsatz klimafreundlicher.


Weitere Informationen

Für weitere Informationen können Sie sich an die Steinbildhauerei Vincent wenden.

Zum Unternehmensprofil auf der UNK-Plattform

Quellenangabe

Datum

Zuletzt geändert am 05. März 2024

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