Die Europäische Union hat es sich mit dem EU Green Deal zum Ziel gesetzt, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. In Deutschland soll der Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreicht werden. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie ihre wirtschaftliche Tätigkeit Schritt für Schritt auf die Erreichung von Klimaneutralität ausrichten müssen. Ein erster Schritt dazu ist, die Dekarbonisierung nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Wachstumschance zu begreifen. Grundlage dafür ist die Formulierung einer betrieblichen Klimastrategie. An dieser Stelle zeigen wir Ihnen, worauf Sie bei der Formulierung einer betrieblichen Klimastrategie achten müssen.
Zum betrieblichen Klimaschutz gibt es mittelfristig keine Alternative, um am Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Denn die eigenen Kunden werden Klimaschutz zunehmend zur Voraussetzung machen. Aufgrund der Komplexität der Herausforderungen fällt es Unternehmen aber mitunter schwer, Ansatzpunkte für den betrieblichen Klimaschutz zu identifizieren und konkrete Maßnahmen abzuleiten. Hier kann ein strategisches Vorgehen helfen.
Auf einen Blick: Ihre Vorteile
Wettbewerbsvorteile

Grüne Produkte verzeichnen nach Zahlen des Umweltbundesamtes seit Jahren ein stetiges Wachstum. Im Wettbewerb um Endkunden haben solche Produkte zunehmend Durchsetzungsvorteile. So ist zu erwarten, dass sich grüne Produkte zukünftig vom Nischen- zum Massenmarkt entwickeln.
Vorteile in der Lieferkette

Zulieferer bemerken zunehmend kundenseitigen Druck, ihre Produkte unter nachhaltigen Bedingungen zu produzieren, beispielsweise indem CO2-Fußabdrücke für einzelne Produkte oder Produktgruppen verlangt werden. Unternehmen, die diesen Trend berücksichtigen, haben Vorteile gegenüber Wettbewerbern.
Minderung von Bilanzrisiken

Nachhaltige Unternehmen reduzieren aktiv Bilanzrisiken, beispielsweise durch einen steigenden CO2-Preis. Zusätzlich können Effizienzsteigerungen dazu beitragen, den eigenen CO2-Fußabdruck zu vermindern und dadurch Kosten zu sparen.
Image und Marketing

Neo-Ökologie ist der Megatrend der 2020er-Jahre. Das bedeutet, dass sich der Umweltschutz zur gesamtgesellschaftlichen Bewegung entwickelt. Unternehmen die darauf Antworten finden, haben Vorteile bei der Markenbildung und können ihr Image nachhaltig positiv beeinflussen. Aber Vorsicht: Klimaschutz muss ernsthaft betrieben werden. Greenwashing ist keine nachhaltige Option.
Personalgewinnung

Fachkräfteengpässe betreffen bereits heute viele Unternehmen und werden künftig flächendeckend und branchenübergreifend auftreten. Insbesondere hochqualifizierte Fachkräfte stellen deshalb heute eine Reihe an Anforderungen, die Arbeitgeber:innen berücksichtigen müssen, um Arbeitskräfte zu finden. Vor diesem Hintergrund wird der betriebliche Klimaschutz zunehmend zum Argument, um umweltbewusste Beschäftigte anzuwerben und im Unternehmen zu halten.
Minderung von Folgeschäden durch den Klimawandel

Nach Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung könnten sich die Schäden durch den Klimawandel in Deutschland bis 2050 auf 800 Mrd. € belaufen. Gesamtgesellschaftliche und betriebliche Investitionen in den Klimaschutz und in Maßnahmen zur Klimaanpassung helfen, diese Risiken zu vermindern.
In 5 Schritten auf dem Weg zur Klimaneutralität
Identifizieren und Bilanzieren

Identifizieren Sie, was in Ihrem CO2-Fußabdruck abgedeckt werden soll (Bilanzierungszeitraum, Bilanzierungsgrenzen, Zielsetzung des Carbon Footprint...)
Ziele und Strategien formulieren

Prüfen Sie, ob Ihre Unternehmensausrichtung mit Klimaneutralität kompatibel ist und identifiizieren Sie Optionen für eine Neuausrichtung. Setzen Sie sich konkrete Ziele zur Senkung der durch Ihr Unternehmen verursachten CO2-Emissionen.
CO2-Emissionen reduzieren und vermeiden

Erarbeiten Sie konkrete Empfehlungen zur Vermeidung von CO2-Emissionen. Wichtig ist dabei, alle Beschäftigten mitzunehmen und getroffene Entscheidungen in der Belegschaft zu kommunizieren.
CO2-Kompensation

Entscheiden Sie, in welchem Umfang und in welchen Bereichen CO2-Zertifikate erworben werden müssen. Eine Grundlage für die Entscheidung können die Sustainable Developement Goals (SDG) der UN sein. Darüber hinaus können Sie externe Klimaschutzprojekte unterstützen.
CO2-Neutral werden

CO2-Neutralität ist ein Ziel, das auf allen Unternehmensebenen erreicht werden muss. Deshalb ist es notwendig, die Beschäftigten Ihres Unternehmens zu motivieren, sich an der Umsetzung betrieblicher Klimaschutzmaßnahmen zu beteiligen. So arbeiten Sie dem Ziel der Klimaneutralität entgegen, stellen Ihr Unternehmen zukunftsfest auf und können dadurch beispielsweise neue Kundensegmente erschließen.
Bestandteile einer betrieblichen Klimastrategie
Damit die Klimastrategie ihre Wirkung zielgenau entfalten kann, muss sie alle Unternehmensebenen erreichen. Vom einfachen Hilfsarbeiter bis hin zum Vorstand müssen sich alle Beschäftigten der Klimastrategie verpflichtet fühlen. Aus diesem Grund reicht es nicht aus, eine Strategie top-down festzulegen. Stattdessen müssen verschiedenste Mittel genutzt werden, um die betrieblichen Klimaziele zu erreichen. Dazu zählen einerseits die Analyse technischer Prozesse und die Ableitung kongruenter Reduktionsziele, anderseits aber auch Maßnahmen der Kommunikation und Mitarbeitermotivation. Aus verschiedenen Bestandteilen entsteht so eine Klimastrategie, die im Rahmen eines umfassenden Klimamanagements verwirklicht wird. Nachfolgend stellen wir Ihnen die Kernbestandteile einer betrieblichen Klimastrategie vor.
ANALYSE VON CHANCEN UND RISIKEN, WELCHE AUS POLITISCHEN VORGABEN FOLGEN, BSPW. KLIMASCHUTZGESETZGEBUNG
Jede Klimastrategie umfasst Chancen und Risiken. Diese können sich beispielsweise auf die Unternehmensbilanz oder auf das Engagement der Beschäftigten und Absatzmärkte beziehen. Die Risikoanalyse lässt sich auf zwei verschiedenen Ebenen umsetzen:
Physische Klimarisiken
Zu erwartende Schäden durch den Klimawandel, bspw. an Produktionsmitteln wie Gebäuden etc.; Ableitung von konkreten Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung
Transistorische Klimarisiken und -chancen
Risiken und Chancen, die sich aus der Umsetzung einer Klimastrategie ergeben, bspw. Umsetzung von Effizienzmaßnahmen etc.; Ableitung von Maßnahmen, die der Klimastrategie Vorschub leisten
TREIBHAUSGASBILANZIERUNG NACH GREEN HOUSE GAS PROTOCOL (GHG) UND ISO 14064
Damit Unternehmen eine Klimastrategie umsetzen können, ist es zunächst notwendig, den Ist-Zustand zu analysieren. Dazu stellen Emissionsbilanzen ein erprobtes und etabliertes Mittel dar. Beispielsweise können mittels technischer Tools, bspw. das Ecocockpit, Umweltbilanzen mit vertretbarem Aufwand erstellt werden. Als Faustregel gilt dabei: 95 % der Unternehmensemissionen sollten erfasst werden. Dadurch wird das folgende Ziel erreicht:
Identifikation der Hauptemissionen
Auf Basis der Hauptemissionen lassen sich konkrete Maßnahmen, bspw. Steigerung der Effizienz oder Substituierung durch klimafreundliche Prozesse, ableiten.
Ebenen der Treibhausgasbilanzierung
Für die Treibhausgasbilanzierung bieten sich verschiedene Ebenen an. So kann die Bilanz bspw. für das Gesamtunternehmen, für Unternehmensbestandteile, bspw. Standorte, oder bis auf Produktebene geführt werden. Letzteres ist insb. dann sinnvoll, wenn in wachsenden Unternehmen positive Effekte der Klimastrategie trotz nominell steigender Emissionen nachweisbar sein sollen.
WESENTLICHKEITSANALYSE FÜR SCOPE-3-EMISSIONEN
Emissionen im Scope 3 umfassen die Lieferkette eines Unternehmens. Im Vergleich zu Scope 1 und 2 sind diese Werte schwerer zu erheben. Vor diesem Hintergrund ist eine Wesentlichkeitsanalyse sinnvoll, um diejenigen Scope-3-Kategorien zu ermitteln, die in einem Unternehmen zur Anwendung kommen können:
Analyse der 15 Scope-3-Kategorien
Ableitung, welche davon für das Unternehmen genutzt werden; anschließend wird die Bilanzierung anhand der ausgewählten Kategorien umgesetzt
MASSNAHMENPLANUNG UND -MONITORING
Auf Basis der Treibhausgasbilanz lassen sich die Hauptemissionsströme im Unternehmen benennen. Nach deren Analyse können entsprechende Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden. Dabei ist es wichtig, die Treibhausgasbilanz fortlaufend zu führen, um positive Effekte der Klimastrategie entsprechend darstellen zu können.
Formulierung von Klimazielen
Zunächst müssen auf Basis der Treibhausgasbilanz konkrete Klimaziele für Ihr Unternehmen definiert werden (science based targets)
Ableitung konkreter Maßnahmen
Aus den science based targets ergibt sich die Möglichkeit, konkrete betriebliche Maßnahmen abzuleiten, die sich an den Emissionstreibern orientieren. Insgesamt ergibt sich so ein Treibhausgasreduktionspfad, der auf verschiedenen Ebenen dargestellt werden kann, bspw. für das Gesamtunternehmen, einzelne Unternehmensbestandteile oder Produkte.
Art der Maßnahmen
Konkrete Maßnahmen eines Unternehmens können unterschiedlich klassifiziert werden. So kann unterschiedenen werden in Klimaanpassungsmaßnahmen, bspw. Auswahl klimabewusster Zulieferer und Etablierung von Schutzmaßnahmen im eigenen Unternehmen, Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz, bspw. Schließung von Leckagen oder Investitionen in effizientere Maschinen und Kompensationsmaßnahmen, bspw. nicht-reduzierbare Restemissionen.
Umsetzung eines Umweltmanagementsystems
Ein Umweltmanagementsystem hilft Unternehmen dabei, ihre Klimastrategie auf Basis der Treibhausgasbilanz konzentriert umzusetzen. Dafür existieren bereits erprobte Umweltmanagementsysteme bspw. nach ISO 14001 oder EMAS. Letzteres umfasst alle Elemente der ISO 14001-Zertifizierung. Wichtig ist, an dieser Stelle zu beachten, dass Personal zur Umsetzung eines Umweltmanagementsystems entsprechend qualifiziert sein muss. Außerdem müssen für externe Zertifizierungsprozesse Zeit, Budget und Personal eingeplant werden.
Ausrichtung von Management und Berichtswesen anhand der Klimastrategie
Damit die betriebliche Klimastrategie Ihre Wirkung entfalten kann, ist es unerlässlich, das Management einzubinden und ein entsprechendes Berichtswesen zu etablieren. Die genannten Umweltmanagementsysteme umfassen ein solches Berichtswesen bereits. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, Ziele verbindlich zu definieren, damit diese vom Management entsprechend gemonitort werden können. So ergeben sich beispielsweise auch Nachsteuerungsmöglichkeiten.
Kommunikation
Es wurde bereits deutlich, dass eine Klimastrategie sämtliche Hierarchieebenen eines Unternehmens umfassen muss. So müssen beispielsweise die Beschäftigten entsprechend unterrichtet werden, wenn sich aus der Umsetzung der Klimastrategie Änderungen für ihre Arbeit, bspw. Mülltrennung am Arbeitsplatz oder Maßnahmen zur Einsparung von Ressourcen, ergeben. Dabei ist es wichtig, alle Beschäftigten mitzunehmen und sich proaktiv auf Widerstände insb. bei langjährig Beschäftigten einzustellen. Außerdem können zwei kommunikative Ebenen unterschieden werden:
Externe Kommunikation
Dies umfasst alle Kommunikationsmaßnahmen die nach außen zielen, bspw. gegenüber Zulieferern oder Kund:innen. Eine erfolgreiche Klimastrategie kann etwa genutzt werden, um neue Kund:innengruppen zu erschließen oder ganz allgemein, um das Image eines Unternehmens zu verbessern und dadurch die Wettbewerbsposition zu stärken.
Interne Kommunikation
Darunter fallen alle Kommunikationsmaßnahmen, die in ein Unternehmen hineinwirken. Auf dieser Ebene ist eine zielgruppengerechte und niedrigschwellige Kommunikation erforderlich, um in der Belegschaft Veränderungsbereitschaft zu wecken und dadurch eine Identifikation mit der Klimastrategie zu ermöglichen. Denn nur, wenn Ihre Beschäftigten vom Mehrwert der Klimastrategie überzeugt sind, werden sie diese auch in der eigenen Arbeit umsetzen.
Qualifizierung
Der Großteil Ihrer Beschäftigten dürfte sich noch nicht mit klimastrategischen Zielsetzungen auseinandergesetzt haben. Aber auch diejenigen, in deren Verantwortungsbereich die Formulierung und Umsetzung der Klimastrategie fällt, müssen regelmäßig über neue Entwicklungen auf dem Stand bleiben. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, über entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen nachzudenken. Dabei kann es sich um niederschwellige Workshops für die Belegschaft oder strukturierte Weiterbildungen, bspw. zum betrieblichen Mobilitätsmanagement oder zu EMAS, handeln. Leitend sollte bei der Auswahl von Qualifizierungsmaßnahmen der Gedanke sein, dass diese der Klimastrategie Ihres Unternehmens zugutekommen.
Kompensationsmaßnahmen
Unternehmen sollten, um ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, dem Ziel der Klimaneutralität entgegenarbeiten. Gleichwohl lässt sich diskutieren, inwiefern eine vollständige Klimaneutralität gegenwärtig realistisch ist. Aus diesem Grund stellen Kompensationsmaßnahmen bei spezialisierten Anbietern, bspw. CO2-Abscheidung oder Pflanzungsprojekte, eine Übergangslösung dar. Hinzu kommen nicht-vermeidbare Restemissionen, die über Kompensationsmechanismen ausgeglichen werden können. Dabei gilt jedoch die Maßgabe: Kompensationsmaßnahmen stellen in der Regel nur eine Übergangslösung dar und sollten nur dann dauerhaft Anwendung finden, sofern sich Restemissionen nicht vermeiden lassen.
Unterstützungsangebote
Weiterführende Informationen und Empfehlungen
Immer mehr Unternehmen und Organisationen entscheiden sich für ein Klimamanagement, ergreifen eine Klimastrategie oder schlagen den Weg zur Klimaneutralität ein. Es fehlt aber noch ein Referenzrahmen für ein systematischen und glaubwürdiges Klimamanagement. Das Umweltbundesamt hat im Auftrag des Bundesumweltministeriums einen Vorschlag für einen einheitlichen Anforderungsrahmen an das unternehmerische Klimamanagement entwickelt. Dieser „Baustein Klimamanagement“ setzt an dem Umweltmanagementsystem nach der europäischen EMAS-Verordnung (Eco-Management and Audit Scheme) an. Unternehmen können sich daran orientieren, um ihr eigenes Umweltmanagement in Richtung Klimaschutz zu vertiefen oder in den Aufbau eines Klimamanagement einzusteigen.
Der im April 2022 von der GUT Certifizierungsgesellschaft für Managementsysteme mbH veröffentlichte Leitfaden stellt praxisnah und systematisch dar, wie im Unternehmen ein wirksames Umweltmanagementsystem etabliert werden kann.
- Klimawandel und regionale Wirtschaft: Leitfaden für kleine und mittelständische Unternehmen – eine Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse der Arbeitsgruppe Klimawandel der IHKs in Hanau und Fulda